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Wertschöpfung / Kompostierung / Verwertung

Von der Linear- zur
Kreislaufwirtschaft

URIN & KOT HABEN EINEN WERT

Jeder Mensch ernährt sich von Pflanzen oder von Tieren, die durch Pflanzen ernährt wurden. Jede Pflanze entzieht dem Boden Nährstoffe. Drei wichtige Pflanzennährstoffe sind Stickstoff, Phosphor und Kalium. Gleichzeitig entziehen Pflanzen der Atmosphäre CO2 und nutzen die Energie des Sonnenlichts, um aus dem CO2 Kohlenhydrate zu produzieren. Aus den Nährstoffen des Bodens, CO2 aus der Athmosphäre und Sonnenenergie entstehen in der Pflanze Zucker, Cellulose, Proteine, Öle und vieles mehr.

Über unsere Nahrung gelangen diese nährstoff- und energiereichen Substanzen in unseren Körper. Bei der Verdauung entnimmt unser Körper der Nahrung zwar Energie, die wir zum Leben brauchen, aber einen Großteil der Nährstoffe scheiden wir in Form von Urin und Kot wieder aus. Proteine werden in unserem Körper beispielsweise zu Harnstoff verstoffwechselt und über den Urin abgegeben – daher der Name „Harndrang“.
Wenn wir nicht gerade in einer starken körperlichen Wachstums- oder Muskelaufbauphase sind und wir Haare, Nägel, Schweiß usw. als „Ausscheidung“ hinzuzählen, scheidet jeder Mensch genau die Menge an Nährstoffen aus, die durch Nahrung aufgenommen wurde – am aller meisten natürlich in Form von Urin und Kot.

Auch wenn wir dieses Thema gerne tabuisieren, ist die Art und Weise, wie wir mit Urin und Kot umgehen – ob linearwirtschaftlich oder zirkulär – entscheidend für unsere Zukunft als Spezies dieses Planeten.

LINEARWIRTSCHAFT
Haltet euch auf dem Laufenden über wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Durchbrüche – auf unseren Soziale Medien oder unserem Blog:
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DIE LINEARWIRTSCHAFT

RESSOURCENFEUERWERK BEI HERSTELLUNG & ENTSORGUNG

Der gegenwärtige Umgang mit menschlichen Ausscheidungen ist ein Paradebeispiel einer Linearwirtschaft. Für die Produktion unserer Lebensmittel wird Stickstoff durch hohen Energieaufwand künstlich hergestellt, Phosphor in Bergwerken in China, den USA oder Nordafrika abgebaut und nach einmaligem Konsum über die Wasserspültoilette im Klärwerk energieaufwendig entsorgt.
Die Herstellung künstlicher Düngemittel verursacht 2 % des globalen Energieverbrauchs [1]. Zudem verursacht der übermäßige Eintrag von künstlichem Stickstoff Nitrat im Grundwasser und Lachgas-Emissionen in der Atmosphäre – letzteres ist 298 Mal klimaschädlicher als CO2 [2]. Phosphat-Dünger ist zunehmend mit Cadmium und Uran belastet, da schadstofffreie Lagerstätten weltweit immer seltener werden [3].

Beim Gang auf eine Wasserspültoilette werden die Nährstoffe unserer Ausscheidungen nicht nur mit Trinkwasser verdünnt, sondern auch mit schadstoffhaltigen Haushalts-, Gewerbe- und Straßenabwässern verunreinigt. Im Klärwerk muss das Abwasser aufwendig behandelt werden, bevor es wieder in Fließgewässer eingeleitet werden kann. Stickstoff entweicht dabei teilweise als Distickstoff (N2) zurück in die Athmosphäre, bzw. wird zusammen mit Phosphor, anderen Nähr- und Schadstoffen im sogenannten Klärschlamm gebunden. Ein geringer Anteil an Nährstoffen kann in der Kläranlage nicht gänzlich eliminiert werden und entweicht in die aquatische Umwelt.
Außerdem gelangen über das behandelte Abwasser Medikamentenrückstände [4] und multiresistente Keime [5] in unsere Umwelt.

Klärschlamm wurde bis vor einigen Jahren größtenteils landwirtschaftlich verwertet. Aufgrund der Schadstoffe im Klärschlamm (Schwermetalle, Medikamentenrückstände, Mikroplastik und Krankheitserreger) findet jedoch eine Abkehr von der ‚bodenbezogenen‘ Nutzung hin zur thermischen Entsorgung, also Verbrennung, statt. Ab 2032 ist eine landwirtschaftliche Verwertung nur noch bei kleineren Kläranalgen unter 50.000 Einwohnerwerten erlaubt. Größere Anlagen sind bis dahin verpflichtet, Phosphor durch geeignete Recyclingmethoden aus dem Abwasser zurück zu gewinnen.

Die Verdünnung und Schadstoffbelastung in der Mischkanalisation machen eine ganzheitliche Nährstoffrückgewinnung aus Abwasser ineffizient, bzw. nur begrenzt möglich – im Vergleich zur gezielten Stoffstromtrennung in Trockentoiletten, in denen menschliche Ausscheidungen separat erfasst und effektiven Wertschöpfungsverfahren zugute kommen können.
Die Eliminierung von Nährstoffen im Klärwerk ist zudem sehr energieaufwändig: Abwasseraufbereitung verursacht 3% des globalen Energieverbrauchs [6].

DIE KREISLAUFWIRTSCHAFT

WERTSCHÖPFUNG STATT ENTSORGUNG!

Trockentoiletten sind Anfang und Ende eines produktiven Wertstoffkreislaufs, der Ressourcen aufbaut, anstatt sie zu vernichten. Sie ermöglichen eine effiziente Stoffstromtrennung an der Quelle und eine zielgerichtete Aufbereitung der beiden Wertstoffe Kot und Urin, samt ihren Risken und Potenzialen:

Urin ist weitestgehend keimfrei und reich an Nährstoffen, dafür beinhaltet er allerdings den Großteil der durch Menschen ausgeschiedenen Arzneimittelrückstände. Vorausgesetzt er wird unverdünnt und sauber erfasst – wie beispielweise mit unserem PeePot, kann der Urin durch moderne Filtertechnik sehr effizient von solchen Mikroschadstoffen befreit und zu hochwertigen Recyclingdüngern aufbereitet werden.

Kot ist reich an wertvollen Kohlen- und Nährstoffen – und beinhaltet wiederum seuchenhygienisch relevante Krankheitserreger. Hier hat eine sichere Hygienisierung oberste Priorität.

Auf der Finizio-Pilotanlage in Eberswalde, werden daher Feststoffe aus Trockentoiletten als ersten Behandlungsschritt in einem Hygienisierungscontainer für min. 5 Tage Temperaturen von 65°C ausgesetzt, um Krankheitserreger zu eliminieren. Anschließend werden die Feststoffe in einer kontrolliert aeroben Humifizierung für weitere 6-8 Wochen zu qualitätsgesicherten Humusdüngern weiterverarbeitet.

KREISLAUFWIRTSCHAFT
Unsere Pilotanlage

KACKE-PIPI

Ein Mensch scheidet im Jahr mit 500 l Urin & 50 l Kot ungefähr 4,5 kg Stickstoff und ca. 550 g Phosphor aus. Daraus lassen sich im Jahr ca. 100 l Mehrnährstoffdünger aus Urinkonzentrat und ca. 150 l Humusdünger herstellen. Dies entspricht einer Speicherung von ca. 105 kg CO2.

Chancen & Potenziale für ein innovatives Stoffstrommanagement

Trockentoiletten sind Anfang und Ende eines produktiven Wertstoffkreislaufs, der Ressourcen aufbaut, anstatt sie zu vernichten:

Die Wertstoffe Urin und Kot werden an der Quelle getrennt erfasst – ohne Verdünnung mit giftigen Abwässern. Dies ermöglicht ein effizientes Nährstoffrecycling und die Elimination von Medikamentenrückständen und Schadstoffen.

Durch die Aufbereitung von menschlichem Kot entsteht hochwertiger Humus, der unsere Äcker nicht nur mit Nährstoffen versorgt, sondern auch zu ihrer langfristigen Fruchtbarkeit beiträgt.

Denn Humus sorgt für eine stabile Wasser- und Nährstoffspeicherkraft sowie ein gesundes Lebensgefüge im Boden. Gerade bei zunehmenden Wetterextremen, wie Starkregen und Dürre, ist Humusaufbau unentbehrlich für eine zukunftsfähige und widerstandsfähige Landwirtschaft.
Gleichzeitig speichert Humus Kohlenstoff im Boden und bietet somit eine unverzichtbare Chance den CO2-Gehalt unserer Atmosphäre aktiv zu senken!

Wenn Recyclingdünger aus menschlichem Urin und Kot künstlichen Düngemittel ersetzen, spart das enorme Mengen an Energie, weil diese nicht mehr hergestellt werden müssen.
Trockentoiletten entlasten die Kläranlagen und sparen somit viel Energie, die sonst für die Vernichtung von Nährstoffen im Abwasser eingesetzt wird.

Im Gegensatz zu Gülle, die toxisch auf die Bodenbiologie wirkt, bieten aufbereitete Recyclingdünger aus Trockentoiletten ein ausgewogenes und stabiles Nährstoffverhältnis.
Recyclingdünger aus menschlichem Urin beinhalten bis zu 20 Mal weniger Cadmium als konventionelle Phosphatmineraldünger!

FAQ

Zum tiefer abtauchen in unseren H.I.T. die Kreislaufwirtschaft
Fehlt was? Schreibe an: #FAQ

H.I.T. vs.Terra Preta?

Terra Preta ist portugiesisch für „schwarze Erde“. Es handelt sich um eine äußerst fruchtbare anthropogene Erde, die erstmals vor etwa 7000 Jahren von Siedlungseinwohner:innen des Amazonas geschaffen wurde. Sie besteht aus einem Gemisch menschlicher Fäkalien, Holzkohle, Tonmineralien und zahlreichen weiteren organischen Materialien wie Kompost, Knochen und Küchenabfällen. Terra Preta-Böden unterscheiden sich stark von den umliegenden tropischen, meist nährstoffarmen Böden mit einem hohen Anteil an Ton, Schluff oder Sand.

Die charakteristisch dunkle Farbe der Schwarzerde entsteht durch den hohen Anteil an Holz- und Pflanzenkohle (zusammengefasst Biokohlen). Sie sind die entscheidende Zutat der Terra Preta und erhöhen die Speicherfähigkeit von pflanzenverfügbaren Nährstoffen und Wasser. Zudem können hier Mykorrhizapilze und Mikroorganismen besonders gut gedeihen, wodurch die  Pflanzengesundheit gefördert wird und somit auch zu einem höheren Ernteertrag führt.

Pflanzenkohle und Grünschnitt natürlich auch wesentliche Zuschlagstoffe für unseren Humusdünger. In puncto pflanzenverfügbaren Nährstoffen kann unser H.I.T also easy mit Terra Preta mithalten! Im Vergleich zu Terra Preta, der z.B. durch Verbuddeln – also Sauerstoffentzug – hergestellt wird, haben wir uns für eine kontrolliert sauerstoffversorgten Kompostierung (KSK) entschieden. Diese bringt viele uns wichtige Eigenschaften mit sich bringt. Lese hier weiter .

H.I.T. vs. Gülle?

Stallmist, also das Gemisch aus Einstreu und tierischen Fäkalien, ist die Urform der landwirtschaftlichen Düngemittel. Mit dem Mist, den die Tiere produzierten, wurden die anliegenden Felder gedüngt, auf denen ihr Futter angebaut wurde − ein regionaler Nährstoffkreislauf! Auf dem gleichen Hof hergestellt und verwendet, gilt dieser sogenannte „Wirtschaftsdünger“ oder „Hofdünger“ als relativ umweltverträglich.

In der modernen Tierindustrie fällt aber kein Stallmist mehr an, sondern Gülle.

In der Massentierhaltung wird aus Kostengründen in der Regel kein Einstreu mehr in den Ställen verwendet. Die Fäkalien landen direkt auf dem Boden und damit sie abfließen können, ist der Stallboden vergittert oder mit Löchern versehen. Das Gemisch aus Urin, Fäzes und anderen Körperflüssigkeiten wird unter dem Boden aufgefangen und in großen Becken und Silos gelagert.

Die meisten Tierbetriebe sind heute sehr groß und regional konzentriert. Durch das viele Import-Futter – und die damit importierten Nährstoffe – fällt regional viel mehr Gülle an, als in der eigenen Futtermittelherstellung gebraucht wird.

Der natürliche Nährstoff-Kreislaufansatz kann nicht mehr verfolgt werden, ohne die Felder zu überdüngen und damit die Umwelt zu belasten.

Die Verwendung von Gülle als Dünger kann daher heutzutage eher als abfallwirtschaftliches Problem betrachtet werden. 1

In Gülle sind zwar viele Nährstoffe enthalten, die von Pflanzen verwendet werden können. Aber durch ihre speziellen chemischen Eigenschaften kommt es bei der Ausbringung von Gülle zu Nährstoffverlusten.

Gülle hat einen sehr hohen pH-Wert. Dieser führt dazu, dass der Stickstoff in der Gülle überwiegend in Form von Ammoniak vorliegt, einer sehr flüchtigen Stickstoffverbindung. Wird die Gülle nicht vorbehandelt, um den pH-Wert zu senken, oder bei Ausbringung direkt in den Boden eingearbeitet, kommt es zu Stickstoffverlusten bei der Düngung mit Gülle. Die Ausgasung von Ammoniak ist auch der Grund, warum Gülle so übel riecht.

Auch wenn die Gülle fachgerecht in den Boden eingebracht wird, kann es zu Umweltschäden durch Nitratauswaschung kommen. Nitrat ist eine Stickstoff-Form, die Pflanzen gut aufnehmen können, die im Boden aber schlecht gehalten wird. Wird mehr gedüngt, als von den Pflanzen benötigt, versickert das Nitrat ins Grundwasser. Diese Nährstoff-Verschmutzung belastet die Lebensräume in umliegenden Gewässern und unsere Gesundheit. 1

Deswegen gelten für die Verwendung von Gülle als Dünger zunehmend striktere Regularien.

Gülle ist auch für das Klima ein Problem. In den Tierställen, aber auch bei der Lagerung und Ausbringung von Gülle entstehen Lachgas und Methan, zwei Gase, die die Klimawirkung von CO2 um ein vielfaches übersteigen. 5

In Deutschland werden 60 % aller Schweine in nur zwei Bundesländern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, gezüchtet. Die großen Betriebe können die viele Gülle, die bei ihnen anfällt, nicht mehr auf den eigenen Feldern verwerten. Deswegen kommt es zu sogenanntem Gülletourismus . Die überschüssige Gülle wird aus den Regionen mit vielen Tierbetrieben viele hundert Kilometer weit in Regionen transportiert, in denen weniger Viehwirtschaft betrieben wird.

Allein im Jahr 2019 kam es zu 157 Unfällen bei Gülletransporten. Dadurch sind rund 28 Millionen Liter Gülle (und vergleichbare Stoffe) unkontrolliert in die Umwelt gelangt.

Wird die Gülle nicht behandelt, wird vor allem Wasser transportiert. Mit einer Entwässerung könnten die Transportkosten gesenkt werden. 6 Eine zusätzliche Ansäuerung würden die Ammoniakverluste verhindern. So könnte man die Gülle umweltverträglicher machen.

Das entspricht allerdings aktuell noch nicht der gängigen Praxis.7

1: Fink, Arnold: Pflanzenernährung und Düngung in Stichworten. 6. Aufl., Stuttgart: Gebrüder Borntraeger, 2007
5: Umweltbundesamt: Lachgas und Methan. [https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/lachgas-methan], Zugriff: 03.06.2022.
7: Umweltbundesamt: Gutachten zur Anwendung von Minderungstechniken für Ammoniak durch „Ansäuerung von Gülle“ und deren Wirkungen auf den Boden – Abschlussbericht. [https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/texte_148-2019_gutachten_anwendung_minderungstechniken_ammoniak_0.pdf], Zugriff: 03.06.2022

Die neue Klärschlammverordnung

Ende der bodenbezogenen Verwertung und Beginn der Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung

Klärschlamm entsteht als Abfallprodukt bei der Abwasserreinigung. Überall, wo Abwasser aufbereitet wird- also in den großen kommunalen Klärwerken, aber auch in kleineren betrieblichen Anlagen- bleibt nach dem Reinigungsprozess eine schwer definierbare Masse zurück, in der enthalten ist, was aus dem behandelten Wasser rausgezogen werden konnte.* Je nachdem, welchen Ursprung das Abwasser hat, kann sich die Zusammensetzung des anfallenden Klärschlamms stark unterscheiden. Für ein Recycling, die sogenannte „stoffliche Verwertung“, ist nur Klärschlamm geeignet, der aus kommunalen Kläranlangen kommt oder diesem in seiner Zusammensetzung gleicht. Der Begriff „Klärschlamm“ bezeichnet dabei übrigens nicht das schlammige Gemisch, das direkt aus der Anlage kommt- das nennt man „Rohschlamm“. Wenn der entwässert, ganz getrocknet oder in anderer Form behandelt wurde, wird er zum „Klärschlamm“ (und ist dann garnicht mehr so schlammig, sondern sieht eher aus wie ).

*Leider werden viele kritische Bestandteile des Abwassers nicht im Klärprozess gebunden: Etwa 20% des Stickstoffs, ein großer Teil der Arzneimittelrückstände und Keime, die in der Kläranlage Antibiotikaresistenzen erworben haben landen nicht im Klärschlamm sondern im Vorfluter, den Gewässern, die das behandelte Abwasser aufnehmen.

In den kommunalen Klärwerken landet das Abwasser aus einer ganzen Region. Durch die verschiedenen Ursprünge werden dabei viele unterschiedliche Verunreinigungen transportiert. Regenwasser, das über Dächer, Straßen und Stromleitungen fließt, trägt beispielsweise eine ganze Menge Schwermetalle in die Kanalisation. Über die Abflüsse in Küche und Bad fließen auch eine Reihe an kritischen Stoffen in Richtung der Kläranlagen (Haushaltschemikalien und Mikroplastik bspw.). Je nachdem, welche Industrie sich im Einzugsgebiet befindet, mischen sich noch heiklere Substanzen mit in das Abwasser. Und da wir auch unsere eigenen Ausscheidungen über die Kanalisation entsorgen, sind auch Krankheitserreger und Arzneimittelrückstände im Abwasser- und dementsprechend auch im Klärschlamm- zu finden.

Neben diesen gesundheits- und umweltschädlichen Stoffen landet aber auch Wertvolles im Klärschlamm: Die Pflanzennährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium. Da er also als Dünger fungieren kann, wird ein Teil (momentan 24%) des in Deutschland anfallenden Klärschlamms in der Landwirtschaft verwendet bzw. entsorgt. Die Verwendung als Dünger ist allerdings streng reguliert und wird in Zukunft immer weiter eingeschränkt. Die neue Klärschlammverordnung sieht vor, dass ab 2029 nur noch Klärschlamm aus Klärwerken mit einem Einzugsgebiet von 100.000 Einwohnern landwirtschaftlich verwendet werden darf. Ab 2032 sinkt die Einwohnergrenze auf 50.000. Zur Einordnung dieser Größe: Städte, die knapp unter dieser Grenze liegen sind zum Beispiel Emden, Lörrach, Heidenheim an der Brenz und Frankenthal in der Pfalz.

In Zukunft wird der Klärschlamm also immer weniger über die Landwirtschaft entsorgt werden. Aber auch jetzt schon wird der überwiegende Teil verbrannt,  isoliert in sogenannten Monoverbrennungsanlagen oder auch beigemischt in Zement- und Kohlekraftwerken. Hierbei werden leider auch die brauchbaren Bestandteile (die Nährstoffe) beseitigt und gehen so verloren.

Diesen Verlust von sekundären Rohstoffen, also den Nährstoffen, die im Klärschlamm enthalten sind, versucht die neue Klärschlammverordnung zumindest beim Phosphor (P) einzudämmen. Es wird geschätzt, dass aus kommunalem Klärschlamm pro Jahr theoretisch bis zu 50.000 Tonnen Phosphor gewonnen werden könnten. Bei einem Jahresverbrauch von 124.000 Tonnen ist das eine beachtliche Menge! Um dieses Potenzial nicht zu vergeuden, schreibt die neue Klärschlammverordnung eine Phosphorrückgewinnung vor, wenn der trockene Klärschlamm einen P-Gehalt von über 2 Prozent aufweist. Ist das der Fall, soll davon mindestens die Hälfte wieder zurückgewonnen werden. Wird dieser Klärschlamm verbrannt, sollen mindestens 80 Prozent des dann in der Asche enthaltenen Phosphors zurückgewonnen werden.

Wie diese Rückgewinnung technisch am besten umzusetzen ist, wird derzeit intensiv erforscht. Am besten geeignet scheinen Prozesse, die den Phosphor direkt aus dem Anlagenwasser einsammeln und solche, die nach einer Monoverbrennung den Phosphor aus den entstandenen Klärschlammaschen herausziehen. Ersteres ist einfach und kostengünstig, kann aber nur 5-30 Prozent des Phosphors einfangen. Außerdem bleibt hierbei ein recht großer organischer Anteil zurück, was zu Verunreinigungen führen kann. Zweiteres kann zwar teilweise bis zu 90 Prozent des enthaltenen Phosphors zurückgewinnen, ist allerdings mit immensem technischem Aufwand verbunden.

Die Pflicht zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm verringert den Verlust dieses wichtigen Nährstoffs und ist damit als Schritt in die richtige Richtung zu sehen. Der Phosphor im Klärschlamm stammt allerdings überwiegend aus unserem Urin und legt bis zur Rückgewinnung am Ende der Abwasseraufbereitung einen langen Weg zurück. Er wird mit Wasser verdünnt, mit Keimen und Schadstoffen verunreinigt, unter großem Aufwand wieder eingesammelt und schließlich umständlich aber unvollständig wieder von den Verunreinigungen befreit.

Das ließe sich sehr viel effizienter gestalten, wenn man den Urin direkt an der Quelle abfängt! So wird nicht nur die Verunreinigung mit Schadstoffen verhindert, sondern auch die Aufbereitung zum Düngemittel erleichtert, weil der technische Prozess genau an die stofflichen Eigenschaften von Urin angepasst werden kann.

Das Antibiotika-Problem

Kläranlagen sind Brutstätten für multiresistente Keime. Im Klärbecken treffen Bakterien mit und Bakterien ohne Antibiotikaresistenzen aufeinander und verbringen dort viel gemeinsame Zeit. Da sich auch Antibiotikareste im Abwasser befinden, sehen sich die Bakterien einem starken Selektionsdruck gegenüber- wer Resistenzen entwickelt hat, überlebt. In Kläranlagen herrschen ideale Brutbedingungen für die Bakterien, sodass sie ihre Resistenzen munter kombinieren und weitergeben können. Der anschließende Klärprozess erwischt leider nicht alle im Abwasser enthaltenen, nun multisresistenten, Bakterien, sodass sich diese über die Vorfluter in der Umwelt verbreiten können.

Wir müssen unseren Antibiotika-Konsum überdenken, um das Problem an der Wurzel zu packen. Eine symptomatische Erleichterung kann jedoch schon dadurch erreicht werden, dass die Krankheitserreger mit unseren Ausscheidungen getrennt aufgefangen und gezielt behandelt werden, anstatt sie in einem Brutreaktor unter Selektionsdruck zu setzen und sie anschließend in die Umwelt zu entlassen.

Die Sache mit dem Phosphor

Phosphor ist einer der Hauptnährstoffe von Pflanzen und damit als Dünger zum Anbau von Lebensmitteln unverzichtbar. Als endlicher Rohstoff wird er überwiegend in Bergwerken abgebaut wird. Während der weltweite Bedarf zunimmt, nimmt die Qualität der noch förderbaren Mengen immer weiter ab. Problematisch ist hier insbesondere eine Verunreinigung durch Schwermetalle und radioaktive Stoffe.

Zudem liegen die heute bekannten Vorräte zum überwiegenden Teil in Gebieten, die politisch äußerst konfliktbeladen sind (Stichwort Annexion der Westsahara). (UBA 2018)

Da Phosphor als Düngemittel in der Landwirtschaft eine tragende Rolle spielt, wird die Entwicklung dieses Rohstoffs mit großer Sorge beobachtet. Die Bedeutung des Phosphor-Recycling wird in Zukunft also immer weiter zunehmen.

Kritischer BestandteilBeispielHerkunft
SchwermetalleBlei, Cadmium, Kupfer, Zink uvm.Haushalte, Gewerbe, Abtrag von künstlichen Oberflächen wie Straßen, Dächer oder Stromleitungen durch Niederschlagswasser
Organische SchadstoffePolychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F),

Halogenverbindungen, Organozinnverbindungen, perfluorierte Tenside, polychlorierte Biphenyle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

Haushalte und Gewerbe: Putz- und Reinigungsmittel, Körperpflegeprodukte, Heimwerkerchemikalien wie Holzschutzmittel, Oberflächenbeschichtungen, Biozide in Bauprodukten, Arzneimittel
yKrankheitserregerBakterien (bspw. EHEC), Viren, Parasiten, Wurmeier; menschlicher Kot; Problem Antibiotikaresistenzen: in Kläranlagen kommt es zum Austausch von Antibiotikaresistenzen zwischen Bakterien, wodurch neue Kombinationen von Resistenzen entstehen oder bisher nicht resistente Bakterien Resistenzen übertragen bekommen
ArzneimittelrückständeAntidiabetika, Entzündungshemmer und Schmerzmittel, Asthmamittel, PsychotherapeutikaÜberwiegender Anteil im Urin, weniger im Kot, manche Menschen entsorgen auch ihre Tablettenreste über die Toilette, Haushalte, Gewerbe
Nanomaterialien (Partikelgröße 1 bis 100 Nanometer)Tonpartikel, Zinkoxidpartikel (Sonnencreme)Haushalte, Gewerbe: Elektronikbranche, Pharmazie, Medizin, Kosmetik, Flächenveredelung, Chemie
KunststoffePrimäres Mikroplastik in Kosmetik und Detergenzien, sekundäres Mikroplastik durch Textilabrieb beim Waschen, Zigarettenkippen, ReifenabriebHaushalte, Gewerbe, Einträge über Niederschlagswasser aus dem urbanen Raum

Quellen:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2017: Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung. Online unter: https://www.bmu.de/gesetz/verordnung-zur-neuordnung-der-klaerschlammverwertung [Stand: 01.12.2021]

Umweltbundesamt (Hrsg.), 2018: Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland.

QUELLENVERZEICHNISS

[1] Deutscher Bundestag (2018): Energieverbrauch bei der Produktion von mineralischem Stickstoffdünger. Unter Mitarbeit von WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung. Online verfügbar unter (Stand 18.06.2022)

[2] INTERGOVERNMENTAL PANEL ON CLIMATE CHANGE (IPCC) 2013. Climate Change 2013 – The Physical Science Basis. WORKING GROUP I CONTRIBUTION TO THE FIFTH ASSESSMENT REPORT OF THE INTERGOVERNMENTAL PANEL ON CLIMATE CHANGE

[3] DIENEMANN, C., UTERMANN, J. 2012. Uran in Boden und Wasser. TEXTE 37/2012, Umweltbundesamt Dessau-Roßlau Fachgebiet II 2.6 Maßnahmen des Bodenschutzes ISSN 1862-4804
http://www.uba.de/uba-info-medien/4336.html

[4] UMWELT BUNDESAMT (UBA), 2019. Arzneimittel in der Umwelt, 11.10.2019 erschienen unter https://www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/arzneimittel-in-der-umwelt

[5] BUERGMANN, H., CZEKALSKI, N., BRYNER, A. 2015. Spread of antibiotic resistance in the aquatic environment. Fact sheet -EAWAG aquatic research. Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, CH-8600Dübendorf

[6] Lu Lu et al. 2018. Wastewater treatment for carbon capture and utilization. Nature Sustainability, Band 1 2018, Seite 750–758
https://doi.org/10.1038/s41893-018-0187-9

[7] CLEMENS, J., NISIPEANU, P., MUSKOLUS, A., RIEß, et al.(2008). Produkte aus neuartigen Sanitärsystemen in der Landwirtschaft. Fachbeitrag Dezentrale Abwasserentsorgung Korrespondenz Abwasser, Abfall · (55) · Nr. 10

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