Ende der bodenbezogenen Verwertung und Beginn der Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung
Klärschlamm entsteht als Abfallprodukt bei der Abwasserreinigung. Überall, wo Abwasser aufbereitet wird- also in den großen kommunalen Klärwerken, aber auch in kleineren betrieblichen Anlagen- bleibt nach dem Reinigungsprozess eine schwer definierbare Masse zurück, in der enthalten ist, was aus dem behandelten Wasser rausgezogen werden konnte.* Je nachdem, welchen Ursprung das Abwasser hat, kann sich die Zusammensetzung des anfallenden Klärschlamms stark unterscheiden. Für ein Recycling, die sogenannte „stoffliche Verwertung“, ist nur Klärschlamm geeignet, der aus kommunalen Kläranlangen kommt oder diesem in seiner Zusammensetzung gleicht. Der Begriff „Klärschlamm“ bezeichnet dabei übrigens nicht das schlammige Gemisch, das direkt aus der Anlage kommt- das nennt man „Rohschlamm“. Wenn der entwässert, ganz getrocknet oder in anderer Form behandelt wurde, wird er zum „Klärschlamm“ (und ist dann garnicht mehr so schlammig, sondern sieht eher aus wie ).
*Leider werden viele kritische Bestandteile des Abwassers nicht im Klärprozess gebunden: Etwa 20% des Stickstoffs, ein großer Teil der Arzneimittelrückstände und Keime, die in der Kläranlage Antibiotikaresistenzen erworben haben landen nicht im Klärschlamm sondern im Vorfluter, den Gewässern, die das behandelte Abwasser aufnehmen.
In den kommunalen Klärwerken landet das Abwasser aus einer ganzen Region. Durch die verschiedenen Ursprünge werden dabei viele unterschiedliche Verunreinigungen transportiert. Regenwasser, das über Dächer, Straßen und Stromleitungen fließt, trägt beispielsweise eine ganze Menge Schwermetalle in die Kanalisation. Über die Abflüsse in Küche und Bad fließen auch eine Reihe an kritischen Stoffen in Richtung der Kläranlagen (Haushaltschemikalien und Mikroplastik bspw.). Je nachdem, welche Industrie sich im Einzugsgebiet befindet, mischen sich noch heiklere Substanzen mit in das Abwasser. Und da wir auch unsere eigenen Ausscheidungen über die Kanalisation entsorgen, sind auch Krankheitserreger und Arzneimittelrückstände im Abwasser- und dementsprechend auch im Klärschlamm- zu finden.
Neben diesen gesundheits- und umweltschädlichen Stoffen landet aber auch Wertvolles im Klärschlamm: Die Pflanzennährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium. Da er also als Dünger fungieren kann, wird ein Teil (momentan 24%) des in Deutschland anfallenden Klärschlamms in der Landwirtschaft verwendet bzw. entsorgt. Die Verwendung als Dünger ist allerdings streng reguliert und wird in Zukunft immer weiter eingeschränkt. Die neue Klärschlammverordnung sieht vor, dass ab 2029 nur noch Klärschlamm aus Klärwerken mit einem Einzugsgebiet von 100.000 Einwohnern landwirtschaftlich verwendet werden darf. Ab 2032 sinkt die Einwohnergrenze auf 50.000. Zur Einordnung dieser Größe: Städte, die knapp unter dieser Grenze liegen sind zum Beispiel Emden, Lörrach, Heidenheim an der Brenz und Frankenthal in der Pfalz.
In Zukunft wird der Klärschlamm also immer weniger über die Landwirtschaft entsorgt werden. Aber auch jetzt schon wird der überwiegende Teil verbrannt, isoliert in sogenannten Monoverbrennungsanlagen oder auch beigemischt in Zement- und Kohlekraftwerken. Hierbei werden leider auch die brauchbaren Bestandteile (die Nährstoffe) beseitigt und gehen so verloren.
Diesen Verlust von sekundären Rohstoffen, also den Nährstoffen, die im Klärschlamm enthalten sind, versucht die neue Klärschlammverordnung zumindest beim Phosphor (P) einzudämmen. Es wird geschätzt, dass aus kommunalem Klärschlamm pro Jahr theoretisch bis zu 50.000 Tonnen Phosphor gewonnen werden könnten. Bei einem Jahresverbrauch von 124.000 Tonnen ist das eine beachtliche Menge! Um dieses Potenzial nicht zu vergeuden, schreibt die neue Klärschlammverordnung eine Phosphorrückgewinnung vor, wenn der trockene Klärschlamm einen P-Gehalt von über 2 Prozent aufweist. Ist das der Fall, soll davon mindestens die Hälfte wieder zurückgewonnen werden. Wird dieser Klärschlamm verbrannt, sollen mindestens 80 Prozent des dann in der Asche enthaltenen Phosphors zurückgewonnen werden.
Wie diese Rückgewinnung technisch am besten umzusetzen ist, wird derzeit intensiv erforscht. Am besten geeignet scheinen Prozesse, die den Phosphor direkt aus dem Anlagenwasser einsammeln und solche, die nach einer Monoverbrennung den Phosphor aus den entstandenen Klärschlammaschen herausziehen. Ersteres ist einfach und kostengünstig, kann aber nur 5-30 Prozent des Phosphors einfangen. Außerdem bleibt hierbei ein recht großer organischer Anteil zurück, was zu Verunreinigungen führen kann. Zweiteres kann zwar teilweise bis zu 90 Prozent des enthaltenen Phosphors zurückgewinnen, ist allerdings mit immensem technischem Aufwand verbunden.
Die Pflicht zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm verringert den Verlust dieses wichtigen Nährstoffs und ist damit als Schritt in die richtige Richtung zu sehen. Der Phosphor im Klärschlamm stammt allerdings überwiegend aus unserem Urin und legt bis zur Rückgewinnung am Ende der Abwasseraufbereitung einen langen Weg zurück. Er wird mit Wasser verdünnt, mit Keimen und Schadstoffen verunreinigt, unter großem Aufwand wieder eingesammelt und schließlich umständlich aber unvollständig wieder von den Verunreinigungen befreit.
Das ließe sich sehr viel effizienter gestalten, wenn man den Urin direkt an der Quelle abfängt! So wird nicht nur die Verunreinigung mit Schadstoffen verhindert, sondern auch die Aufbereitung zum Düngemittel erleichtert, weil der technische Prozess genau an die stofflichen Eigenschaften von Urin angepasst werden kann.
Das Antibiotika-Problem
Kläranlagen sind Brutstätten für multiresistente Keime. Im Klärbecken treffen Bakterien mit und Bakterien ohne Antibiotikaresistenzen aufeinander und verbringen dort viel gemeinsame Zeit. Da sich auch Antibiotikareste im Abwasser befinden, sehen sich die Bakterien einem starken Selektionsdruck gegenüber- wer Resistenzen entwickelt hat, überlebt. In Kläranlagen herrschen ideale Brutbedingungen für die Bakterien, sodass sie ihre Resistenzen munter kombinieren und weitergeben können. Der anschließende Klärprozess erwischt leider nicht alle im Abwasser enthaltenen, nun multisresistenten, Bakterien, sodass sich diese über die Vorfluter in der Umwelt verbreiten können.
Wir müssen unseren Antibiotika-Konsum überdenken, um das Problem an der Wurzel zu packen. Eine symptomatische Erleichterung kann jedoch schon dadurch erreicht werden, dass die Krankheitserreger mit unseren Ausscheidungen getrennt aufgefangen und gezielt behandelt werden, anstatt sie in einem Brutreaktor unter Selektionsdruck zu setzen und sie anschließend in die Umwelt zu entlassen.
Die Sache mit dem Phosphor
Phosphor ist einer der Hauptnährstoffe von Pflanzen und damit als Dünger zum Anbau von Lebensmitteln unverzichtbar. Als endlicher Rohstoff wird er überwiegend in Bergwerken abgebaut wird. Während der weltweite Bedarf zunimmt, nimmt die Qualität der noch förderbaren Mengen immer weiter ab. Problematisch ist hier insbesondere eine Verunreinigung durch Schwermetalle und radioaktive Stoffe.
Zudem liegen die heute bekannten Vorräte zum überwiegenden Teil in Gebieten, die politisch äußerst konfliktbeladen sind (Stichwort Annexion der Westsahara). (UBA 2018)
Da Phosphor als Düngemittel in der Landwirtschaft eine tragende Rolle spielt, wird die Entwicklung dieses Rohstoffs mit großer Sorge beobachtet. Die Bedeutung des Phosphor-Recycling wird in Zukunft also immer weiter zunehmen.
Kritischer Bestandteil | Beispiel | Herkunft |
Schwermetalle | Blei, Cadmium, Kupfer, Zink uvm. | Haushalte, Gewerbe, Abtrag von künstlichen Oberflächen wie Straßen, Dächer oder Stromleitungen durch Niederschlagswasser |
Organische Schadstoffe | Polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F), Halogenverbindungen, Organozinnverbindungen, perfluorierte Tenside, polychlorierte Biphenyle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe | Haushalte und Gewerbe: Putz- und Reinigungsmittel, Körperpflegeprodukte, Heimwerkerchemikalien wie Holzschutzmittel, Oberflächenbeschichtungen, Biozide in Bauprodukten, Arzneimittel |
yKrankheitserreger | Bakterien (bspw. EHEC), Viren, Parasiten, Wurmeier; | menschlicher Kot; Problem Antibiotikaresistenzen: in Kläranlagen kommt es zum Austausch von Antibiotikaresistenzen zwischen Bakterien, wodurch neue Kombinationen von Resistenzen entstehen oder bisher nicht resistente Bakterien Resistenzen übertragen bekommen |
Arzneimittelrückstände | Antidiabetika, Entzündungshemmer und Schmerzmittel, Asthmamittel, Psychotherapeutika | Überwiegender Anteil im Urin, weniger im Kot, manche Menschen entsorgen auch ihre Tablettenreste über die Toilette, Haushalte, Gewerbe |
Nanomaterialien (Partikelgröße 1 bis 100 Nanometer) | Tonpartikel, Zinkoxidpartikel (Sonnencreme) | Haushalte, Gewerbe: Elektronikbranche, Pharmazie, Medizin, Kosmetik, Flächenveredelung, Chemie |
Kunststoffe | Primäres Mikroplastik in Kosmetik und Detergenzien, sekundäres Mikroplastik durch Textilabrieb beim Waschen, Zigarettenkippen, Reifenabrieb | Haushalte, Gewerbe, Einträge über Niederschlagswasser aus dem urbanen Raum |
Quellen:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2017: Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung. Online unter: https://www.bmu.de/gesetz/verordnung-zur-neuordnung-der-klaerschlammverwertung [Stand: 01.12.2021]
Umweltbundesamt (Hrsg.), 2018: Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland.